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Architektur und Schule

Brandenburger Architekt(inn)en bieten Unterstützung an

Brandenburgische Architektenkammer

Die Stadtentdecker unterwegs in Neuruppin

Bereits zum zweiten Mal hatten Schülerinnen und Schüler aus Neuruppin die Gelegenheit, mit Unterstützung der Architektur-Experten ihre Stadt zu erkunden. Das Projekt „Die Stadtentdecker“ wurde 2013/2014 zum ersten Mal im Verbund mit der AG STÄDTEKRANZ durchgeführt und ging aufgrund der großen Nachfrage und der positiven Resonanz direkt im Anschluss in Potsdam, Cottbus und Neuruppin in eine zweite Runde.
In Neuruppin beteiligten sich diesmal zwei Schulen: die Grundschule Rosa Luxemburg mit der Klasse 5a und ihrer Klassenlehrerin Kerstin Eipel, die neben dem Deutsch- und Englischunterricht die GESCHICHTS- AG betreut und der projektbegleitenden Architektin Martina Nadansky aus Hohen Neuendorf. Auch die Oberschüler der 9b aus der Alexander Puschkin Oberschule mit ihren Lehrerinnen Brita Teuchert und Nadine Tauber, begleitet von Peter Neideck, Architekt aus Potsdam, gingen als „Stadtentdecker“ an den Start.

„Die Stadtentdecker“ unterwegs in Neuruppin – aus Sicht der projektbegleitenden Architektin Martina Nadansky und des Architekten Peter Neideck -

Bereits zum zweiten Mal hatten Schülerinnen und Schüler aus Neuruppin die Gelegenheit, mit Unterstützung der Architektur-Experten ihre Stadt zu erkunden. Das Projekt „Die Stadtentdecker“ wurde 2013/2014 zum ersten Mal im Verbund mit der AG STÄDTEKRANZ durchgeführt und ging aufgrund der großen Nachfrage und der positiven Resonanz direkt im Anschluss in Potsdam, Cottbus und Neuruppin in eine zweite Runde.
In Neuruppin beteiligten sich diesmal zwei Schulen: die Grundschule Rosa Luxemburg mit der Klasse 5a und ihrer Klassenlehrerin Kerstin Eipel, die neben dem Deutsch- und Englischunterricht die GESCHICHTS- AG betreut und der projektbegleitenden Architektin Martina Nadansky aus Hohen Neuendorf. Auch die Oberschüler der 9b aus der Alexander Puschkin Oberschule mit ihren Lehrerinnen Brita Teuchert und Nadine Tauber, begleitet von Peter Neideck, Architekt aus Potsdam, gingen als „Stadtentdecker“ an den Start.


„Die Stadtentdecker“ an der Rosa-Luxemburg-Grundschule
Geheime Orte - Ein persönlicher Bericht aus Sicht der Architektin

Die 23 Schüler/innen der Klasse 5a der Rosa-Luxemburg-Grundschule haben vier Orte in ihrer Stadt Neuruppin ausgewählt, die sie selbst als persönliche Lieblingsorte beschreiben und die gleichzeitig für Neuruppin historisch bedeutsam sind. Die Klassenlehrerin Kerstin Eipel unterrichtet – neben ihren Fächern Deutsch und Englisch- an der Grundschule die Geschichts-AG und wünschte sich für das Projekt Stadtentdecker einen deutlichen Bezug zur reichen Stadtgeschichte der Fontane- und Schinkelstadt Neuruppin.  Für die begleitende Architektin Martina Nadansky bedeutete dies, sich über Anlässe aus der Stadtgeschichte dem Thema Stadtraum zu nähern- nicht umgekehrt. Gleichzeitig sollte es einen frischen kindgerechten Projektverlauf mit Überraschungen geben. So kamen wir auf die Geheimen Orte.
Denn jeder dieser 4 Orte birgt ein Geheimnis- eine verborgene Geschichte, ein unbekanntes Ereignis  oder einen geheimen Raum.  Es sind somit Geheime Orte. Für die gut vorbereitete Exkursion haben wir uns vor Ort mit Experten, d.h. Bewohnern, Besitzern, Benutzern oder Betreibern getroffen, die mit diesem Geheimen Ort eng verbunden sind und uns hinter die Kulissen blicken ließen. Das war sehr spannend und hat gleichzeitig den Kindern ein Bewusstsein für gesellschaftliches Engagement vermittelt.
Aufgrund der nicht ganz einfachen Klassenstruktur hat sich die Lehrerin einen Workshop mit viel Aktivität und praktischen Tätigkeiten gewünscht- auch um das Thema Stadtgeschichte einmal ganz anders gestalten zu können. Für die Projektwoche zeichnete sich daher bereits im Vorfeld ein großes Interesse am Modellbau ab. Dafür haben wir vorher eine Materialliste ausgeteilt, die die Schüler/innen motivierte, überflüssig gewordene Dinge des täglichen Gebrauchs, wie Verpackungsmaterial, Woll- und Stoffreste, Plastikfolien und Obstnetze zu sammeln. Diese bewährte Methode erhöht die Spannung schon vor der Projektwoche, aktiviert ganze Familien und stärkt die Verbundenheit mit dem Projekt. Der erste Tag der Projektwoche sprühte daher vor Materialbergen und phantasievollen Einfällen- an diesem wichtigen Projekttag wurden die Projektideen entwickelt, immer im Bezug zum historischen Kontext. Die Architektin hat in diesem Projektstadium- immer dicht die Ideen der Kinder begleitend –anregende kreative Beispiele aus Stadt, Architektur und Kunst über verschiedene Methoden vermittelt (Bücher, Zeitschriften, Power Point). Im Projektverlauf ging es insgesamt um die Begleitung der Kinder bei der künstlerischen Umsetzung einer utopischen Projektidee- einer wichtigen Phase auch von Architekten in ihrem Berufsfeld. Neben den ganz praktischen Tricks beim Modellbau waren so auch methodische Fragen, Diskussionsanregungen und Tipps bei konstruktiven Fehlschlägen gefragt.

1.    Geheimer Ort: Die Geheime Grotte unter dem Apollotempel
Der historische Tempelgarten mit dem darin enthaltenen Apollo-Tempel wurde 1732 vom damaligen Kronprinzen Friedrich- dem späteren „Friedrich dem Großen“- angelegt und diente ihm als Rückzugsort, Konzertstätte und Nutzgarten. Das heute noch (nur im Rohbau) vorhandene Gewölbe unter dem kleinen Rundtempel hat unsere Phantasie mächtig angeregt- er ist unser 1. Geheimer Ort. Niemand – auch nicht unser Experte Peter Neiß, Vorsitzender der Tempelgartenvereins- kann mit Sicherheit sagen, wozu dieser Raum angelegt wurde und wie er genau ausgesehen hat. Nur einige bauhistorische Funde – grüne Glasstücke – und die Mode der damaligen Zeit legen die Vermutung nahe, es könnte sich um eine üppig ausgestaltete funkelnde und farbige „Grotte“ gehandelt haben, die für Trinkgesellschaften oder auch nur zur Entspannung konzipiert war.

Und genauso hat die Schülergruppe diesen Raum interpretiert und aufgebaut. In diesem Fall  gibt es eine besondere Zweiteilung im Modell, die auch gruppenintern zu einer geschlechterspezifischen Interessensverteilung geführt hat, wie sie übrigens oft zu beobachten ist. Der Tempel selbst hat eine starke konstruktive Struktur mit 8 Rundstützen und einem zentralsymmetrischen Gewölbedach- nicht einfach zu bauen. Dazu gab es dann auch tatsächlich einige vergebliche und abgebrochene Bauversuche. Insbesondere das Gewölbe stellte eine große Herausforderung dar, die schließlich mittels eines aufgeblasenen Luftballons,  Tapetenkleister und Zeitungspapier von den drei konstruktiv interessierten Jungen der Gruppe gelöst wurde. Der Schuhkarton für die eigentliche Grotte wurde von drei Mädchen ausgeschmückt. Die Kartongrotte ist bei Tageslicht betrachtet ganz unscheinbar, und auch der Bauprozess (auf den Kopf gedreht) lässt noch nicht die späteren tollen Farb-, Material- und Lichteffekte erahnen. Anregungen haben wir uns dafür z.B. von der Grotte in Schloss Herrenhausen/ Hannover geholt, die 2013 von der Künstlerin Niki de Saint Phalle ausgestaltet wurde. Mit Hilfe von verschiedenen Lichtquellen brachten die Kinder schließlich gemeinsam die Grotte zum Funkeln und Leuchten und fotografierten sie nach anfänglicher Unsicherheit auch selbst. Die entstandenen „Taschenlampenbilder“ haben eine ganz eigene Faszination, die über den reinen Modellbau weit hinausgeht und als weitere Arbeitsmethode einen eigenen Stellenwert bekommt. 

2.    Geheimer Ort: Klosterhof 007 im Klosterhof
Zum Klosterhof, gelegen in der Altstadt in unmittelbarer Nähe zur Klosterkirche, gehören vier nebeneinanderliegende Grundstücke mit je einem straßenbegleitenden Vorderhaus, einem üppig begrünten Garten in Innenbereich sowie Nebengebäuden in den rückwärtigen Grundstücksbereichen- eine typische Stadtstruktur mit ehemaligen Handwerksbetrieben auf dem Stadtgrundriss, der vom Großen Brand 1787 verschont blieb. Der Besitzer in 4. Generation Marco Leppin hat uns in diesem zauberhaften, für viele Bewohner aber unbekannten (geheimen) Ambiente empfangen- unser 2. Geheimer Ort! 
Im Projekt Klosterhof 007 hat die Schülergruppe diesen Ort noch spannender für Kinder und Jugendliche gestaltet, „um den Umsatz zu verdoppeln“, wie sie sagen: z.B. mit Eisdiele, Swimmingpool, Ballspielfeld und einer coolen Bar. In einem detailliert  gestalteten Modell wird alles farbenprächtig dargestellt. Und warum 007? Weil es 7 atemberaubende und spannende neue Attraktionen gibt!

3.    Geheimer Ort: Beste Freunde in der Klosterkirche
Die Silhouette der gotischen Klosterkirche mit ihren prägnanten Doppeltürmen ist das Wahrzeichen von Neuruppin. Zum 3. Geheimen Ort wird sie für uns als Wohnort von Fledermäusen und Turmfalken, wie uns die sachkundige Führerin Frau Krüger berichtet.

Die spannende Turmbesteigung inklusive atemberaubender Einblicke auf das Kirchenschiffgewölbe und den hölzernen gewaltigen Dachstuhl inspirierte drei Schüler zu einem Comic mit dem Titel „Beste Freunde“. Beste Freunde- das sind die Fledermaus Frieda und der Turmfalke Falco, die sich an Schokoeis mit Wurmgeschmack und Mückeneis erfreuen, unsere Geheimen Orte der Stadt Tempelgarten, Klosterhof und Klosterkirche fliegend besuchen und schließlich beim Zurückkommen in ihr Zuhause Klosterkirche sehen müssen, dass es brennt. Wie geht es aus? Das wird hier nicht verraten und ist nachzulesen in der Klosterkirche Neuruppin. Der Vorteil des gezeichneten Comics ist, dass sich die Geschichte frei und unbeschwert von konstruktiven Problemen, wie sie beim Modellbau entstehen, entfalten kann. Schwerpunkt ist eben auch nicht die Raumgestaltung eines Ortes, sondern die Geschichte einer Freundschaft an diesem von den Kindern ohnehin als perfekt empfundenen Ort.

4.    Geheimer Ort: Speed- Boat- Anlage im Klappgraben
Der historische Klappgraben ist ein mittelalterlicher Be- und Entwässerungsgraben, der größtenteils unterhalb des Stadtgrundrisses verläuft und nur an einigen ganz unterschiedlichen Stellen in der Stadt sichtbar ist. Vor kurzem wurde sein Backsteingewölbe im Zuge umfangreicher Sanierungsarbeiten teilweise offengelegt – so auch im Kellergeschoss des Sparkassengebäudes. Hier begann unsere Exkursion zu unserem 4. Geheimen Ort. Die Sparkassenleiterin Frau Klaus berichtete  uns, dass bei der Begehung des Klappgrabens direkt neben dem Sparkassenkeller Einbruchswerkzeug gefunden wurde- offensichtlich wurde hier ein geplanter Bankeinbruch enttarnt! Die anschließende Stadtexkursion mit Stadtplaner Traugott Messow führte uns zu den wenigen sichtbaren Stellen des Klappgrabens: zur Mündung im Neuruppiner See, einem unscheinbaren Gitter im Straßenbelag und einem stark zugewachsenen Grabenabschnitt.

Die Schülergruppe ließ sich hier zu einer ganz besonderen Idee anregen: einer unterirdischen Speed-Boat-Anlage. Mit dieser Idee nutzen die gleichzeitig die besondere Länge des Grabens, seine ursprüngliche Funktion als wasserführendes Element  und seinen überraschenden  Charakter. Im Modellbau ergaben sich trotz aller Utopie ganz handfeste Probleme:  Wie kommt man hinunter (springen? rutschen?  Mutprobe!)? Wie wird man überhaupt darauf aufmerksam (Fenster im Boden)? Gibt es ein Kassenhaus und wenn ja, wo (oben)? Wo kommt man an (unwichtig)? Eine freche Idee, die dem Denkmalschützer sicher Freude bereitet. Natürlich durfte auch der ECHTE Wasserversuch nicht fehlen (fast gelungen).

Fazit: Mit dem Projekt Geheime Orte haben wir bewusst die Stadtgeschichte mit vitalen Orten und Akteuren der Stadt verknüpft. Diese Kombination zeigt den Schülern: Geschichte ist lebendige Gegenwart, ist auch Teil der Zukunft ihrer eigenen Generation. So wird die Identifikation mit dem eigenen Lebensraum gestärkt und eine dauerhafte Verbindung zur Stadt aufgebaut. Durch die Verknüpfung mit den räumlichen Aspekten geschichtsträchtiger Orte wird zudem die Wahrnehmung für Stadtraum und Architektur geschärft. In der Projektumsetzung sollten - gemäß den Schwerpunkten des „Stadtendecker-Projektes“ - architektonische und stadträumliche Aspekte im Vordergrund stehen. Die Methode konnte dabei je nach Projektthema und Vorliebe der Schülergruppe frei gewählt werden, wie hier mit einem Architekturmodell, einem Fotoexperiment oder einem Comic. Die verschiedenen Projektstadien: Exkursion, Themenfindung, Projektwoche, Präsentation mit ihren unterschiedlichen Anreizen führen dabei zu einem abwechslungsreichen lebendigen Projektverlauf, der verschiedene Talente und Interessen der Schüler fördert. Eine rundum zufriedene, ja stolze Klassenlehrerin freute sich über den pädagogischen und inhaltlichen Erfolg des Projektes. Und die Architektin natürlich auch!

Martina Nadansky, projektbegleitende Architektin

„Die Stadtentdecker“  an der Alexander Puschkin Oberschule
Ein persönlicher Bericht aus Sicht des Architekten

Bereits zum zweiten Mal nahm die Oberschule Alexander Puschkin in Neuruppin am Projekt „Die Stadtentdecker“ teil. Für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b sowie die beteiligten Lehrerinnen, Brita Teuchner und Nadine Taubert, bedeutete die Beschäftigung mit Neuruppin dagegen Neuland, das es Stück für Stück zu erobern galt. Auch für den Architekten Peter Neideck, der andernorts bisher nur Grundschüler begleitet hatte, war die Arbeit mit den 15-jährigen Jugendlichen eine neue Erfahrung.
Aufgrund der Ausdehnung des Landkreises Ostprignitz-Ruppin hat die Puschkin-Schule als eine von zwei Oberschulen Neuruppins ein sehr großes Einzugsgebiet. Etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b pendelt täglich aus der ländlichen Umgebung in die Kreisstadt und legt zum Teil erhebliche Strecken per Bus zurück. Als eine der ersten Aufgaben sollten die Jugendlichen ihre Schulwege in einer großmaßstäblichen Kreiskarte markieren. Das Netz roter Linien, das sich nach und nach über die Landschaft Ostprignitz-Ruppins legte, visualisiert, welchen weiträumigen Bereich eine einzige Schulklasse abdeckt. In Nord-Süd-Richtung lagen die entferntesten Wohnorte fast 30km Luftlinie auseinander.
Für viele der Schülerinnen und Schüler ist die Fontanestadt folglich keine Heimat, sondern der Ort wo sie „nur“ zur Schule gehen oder wo die Familie zum Einkaufen hinfährt. Zu Projektbeginn wurde den Jugendlichen die Frage gestellt, an welchen Orten sie sich in Neuruppin besonders gerne aufhalten, welche sie charakteristisch für die Stadt empfinden oder die sie Besuchern zeigen würden. Es waren besonders die auswärts Wohnenden, die sich mit Antworten schwer taten, weil ihnen der Bezug und die Kenntnis fehlten. Einige sprachen aus, dass sie am liebsten zuhause auf dem Dorf seien. Am Ende des Projektes schienen sich sogar die größten Dorfpatrioten ihrer Kreisstadt angenähert zu haben.

Dass das Ruppiner Einkaufszentrum (REIZ), eine Shopping Mall am westlichen Stadtrand, als erster Lieblingsort genannt wurde, irritierte aufgrund der Ergebnisse der ersten Stadtentdecker-Runde nicht. Jugendliche haben in Bezug auf ihre gebaute Umwelt eine eigene Sicht und andere Beurteilungskriterien als Erwachsene. Neben diesen speziellen Orten erwähnten die Schülerinnen und Schüler aber auch die Neuruppiner Sehenswürdigkeiten wie Klosterkirche und Seepromenade.
Während die Jugendlichen die neun Orte in einem ersten Schritt nur benannten und in ihrer Wahrnehmung schilderten, sollten sie in einem zweiten Schritt deren Eigenschaften beschreiben. Danach ließ sich die Auflistung nach zwei Charakteristika sortieren, die Jugendlichen dieses Alters offensichtlich viel bedeutet: 1. Orte des Ausblicks und 2. Orte des Rückzugs und der Begegnung. Einige Orte konnten beiden Oberbegriffen zugeordnet werden. So z. B. der Rodelhügel, ein informeller Jugendtreff im Schatten des REIZ, der eine weite Sicht in die Landschaft ermöglicht und dabei „ein Gefühl der Freiheit“ gibt - wie es ein Schüler formulierte. Auf Anregung des Architekten wurde mit den „Durchgangs“- oder „Transit“-Orten eine dritte Ortskategorie eingeführt. Überraschenderweise hatte kein Schüler ein Beispiel hierfür genannt, obwohl für viele das Warten an den Bushaltestellen prägend für das Erleben von Stadt ist.
Vor dem gemeinsamen Stadtspaziergang Ende Mai bildeten die Schülerinnen und Schüler Kleingruppen, die sich jeweils einen Ort aus der Liste gewählt hatten. Auf der Tour durch die Stadt, die im historischen Tempelgarten mit einer lebendigen Führung durch Peter Neiß, den Vorsitzenden des gleichnamigen Vereins begann und auf dem Rodelhügel beim REIZ endete, ergaben sich einige interessante Gespräche. So etwa im beliebten Rosengarten, wo zwei Schülerinnen ihre Beobachtungen vortrugen, die sie vor Ort gemacht hatten.
In den folgenden Wochen erstellte jede Gruppe ein Plakat mit den Ergebnissen ihrer Ortsanalyse. Anhand eines Fragenkatalogs beschäftigten sich die Jugendlichen mit Funktionen, Umgebung und Geschichte der Orte und untersuchten deren Qualitäten und Mängel. Einige führten dazu Interviews mit Passanten. Die interne Präsentation innerhalb der Klasse sollte vor der Projektwoche alle auf denselben Wissenstand bringen. Leider hatte nur ein Teil der Jugendlichen die Aufgabe so wichtig genommen, dass sie ihr Poster vorstellen konnten. Ein Schüler, der sich bis dahin sehr zurückhaltend gezeigt hatte, überraschte statt eines Plakates mit einer gelungenen Computerpräsentation zur Seepromenade.
Das fehlende Engagement in der Analysephase, die Luft war bei den meisten Schülern kurz vor den Sommerferien raus, führte dazu, dass der nächste Schritt, die Frage nach den gewünschten Veränderungen der jeweiligen Orte ins Hintertreffen geriet. So kam die Projektwoche, die den eigentlichen Schwerpunkt bilden sollte, etwas schleppend in Fahrt. Nachdem erste handwerkliche Hindernisse überwunden waren und die Modelle langsam Gestalt annahmen, entwickelte sich jedoch eine Dynamik, die alle Schülerinnen und Schüler mitriss. Spätestens als die beiden Moderatorinnen, Mascha Kleinschmidt-Bräutigam und Sabine Thürigen zu Besuch kamen, begriffen die Jugendlichen, dass es ernst wird. Die Aufmerksamkeit, die Ihnen von außen entgegengebracht wurde, motivierte zum letzten Schliff.


Bei der Schlusspräsentation am 14.07.2015 im Neuruppiner Ratssaal wuchsen selbst introvertierte Mädchen und Jungen über sich hinaus. Stolz stellten sie dem Publikum Plakate und Modelle der acht Orte vor, mit denen sie sich beschäftigt hatten:
-    Die Klosterkirche als Wahrzeichen Neuruppins, deren Qualitäten durch eine nächtliche Beleuchtung noch stärker ins Bewusstsein von Einheimischen und Besuchern rücken würde.
-    Der Rosengarten ist durch seine Absenkung und die schützende Bepflanzung ein heimeliger Rückzugsort mitten im Stadtzentrum.
-    Der Rodelhügel könnte mit einem Pavillon auf dem Gipfel, einer Hängebrücke, Sitzmöglichkeiten sowie eine dem Rosengarten entlehnte Bepflanzung noch attraktiver für Jugendliche werden.
-    Der Klinikpark hat mit Karpfenteich, gekurvten Spazierwegen und dem schön gestalteten Grün hohe Aufenthaltsqualität, die keiner Verbesserung bedarf.
-    Der Busbahnhof würde wesentlich gewinnen, wenn es Wartehäuschen mit bequemen Bänken, Getränkeautomaten, WC und Steckdosen zum Aufladen der Handys gäbe.
-    Die Seepromenade lebt vom Weitblick über das Wasser, vielem Grün, ausreichend Sitzgelegenheiten und der Gastronomie. Hier ist immer etwas los – und verbessert werden muss nichts.
-    Der Tempelgarten könnte mehr Veranstaltungen vertragen, obwohl er als stiller Park ein schöner Aufenthaltsort ist, in dem die Geschichte der Stadt spürbar wird.
-    Die Hangars des früheren Flugplatzes stehen größtenteils leer und würden sich hervorragend für den Umbau zu einem Jugendzentrum eignen. Durch Einziehen einer zweiten Ebene und die Ausstattung mit Sofas, Billard- und Kickertisch würde ein beliebter Rückzugsort entstehen, der durch eine Dachterrasse zugleich die Weite der Landschaft erlebbar macht. Bild 9
Die positive Resonanz, die die Klasse 9b bei der Abschlusspräsentation am 14. Juli 2015 im Ratssaal in Neuruppin erfuhr, ermutigt sie zu weiterem Engagement. Ein Schüler schlug vor, in der 10. Klasse ein weiteres Mal an den Stadtentdeckern teilzunehmen. Mehr lässt sich mit dem Projekt nicht erreichen: Die Jugendlichen haben verstanden, dass sie teilhaben können an der Entwicklung ihrer Stadt.

Peter Neideck, projektbegleitender Architekt

Beitrag in: Deutsches Architektenblatt 09/2015