Die Stadtentdecker in Potsdam. Are U waterproof?
Unter dem Titel Are U waterproof haben sich im April 2016 im Rahmen des Projektes „Die Stadtentdecker“ 24 Schülerinnen und Schüler der Montessori- Oberschule Potsdam (4.-8. Jahrgangsstufe) ihrer Stadt am Wasser genähert. Dazu haben wir 4 am Wasser gelegene Orte in einer großen Fahrradrundfahrt besucht und dort jeweils einen Experten getroffen, der mit diesem Ort eine besondere Verbindung hat und uns mehr Hintergrundinformationen vermitteln konnte.
Im Projektverlauf sind wir, entsprechend des Projektes „Die Stadtentdecker“, in 4 Phasen vorgegangen: nach der Stadtrundfahrt gab es in eine 5-tägige Projektwoche, gefolgt von einer öffentlichen Präsentation und dem abschließenden Stadtentdeckergespräch. Für die Projektwoche haben wir Aufgabe gestellt, die inspirierenden Eindrücke der 4 Orte in ein eigenes Projekt am, unter, neben oder auf dem Wasser im einem Modell umzusetzen. 9 Projekte sind dabei entstanden.
1. Ort am Wasser: Restaurant Seerose
Das Restaurant „Seerose“ war die erste Station auf unserer Fahrradrundfahrt. Es wurde 1982 als 8-teiliger, zentralsymmetrischer Schalenbau von Dieter Ahling und Ulrich Müther gebaut. Seine besondere konstruktive und gestalterische Form erklärt sich durch die städtbauliche Lage direkt am Wasser (Assoziation Wasser- Segel- Seerose), durch die umittelbare Nähe mehrerer kantiger Hochhäuser und natürlich durch die Funktion selbst (großer Raum mit Stützenfreiheit durch Schalenwirkung). Dieter Ahting selbst hat uns dort empfangen und viele interessante Details und Informationen zur Entstehung und Konstruktion der Dachschalen vermittelt. In der Projektwoche wurden diese Eindrücke umgesetzt in eigene Schalen aus hängenden, in Gips getauchten Tüchern- ein Experiment, das im Winter auch mit gefrierendem Eis gelingt. Die ausgehärteten, umgedrehten Tücher finden sich als Dachschalen in den Schülerprojekten wieder- als Terrassendach, Halle, Hängematte, oder quergelegt sogar als Verbindungsgang. Organische Formen lassen sich auch mit Pappmaschee auf aufgeblasenen Luftballons herstellen. Auch diese Papierschalen sind nach dem Trocknen frei tragend. Einige Schüler ließen sich durch die Metapher „Seerose“ auch zu Floßbauten auf dem Wasser inspirieren.
2. Ort AM Wasser: Hans- Otto- Theater
Am Hans- Otto-Theater, gebaut 2006 von Gottfried Böhm, wurden wir von Maike Schönfeld, der Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, empfangen. Ganz besonders haben wir uns hier auch für den Außenraum zwischen Theaterfoyer und Wasser interessiert. Wird hier auch Theater gespielt? Wer nutzt diesen öffentlichen Raum? Und welchen Híntergrund haben die geschwungenen roten Dachschalen? Hierzu haben wir erfahren, dass rote Blütenblätter als Vorbild für die Form gedient haben. Und ein ganz besonderes Detail: die Vorliebe der Architektengattin für schwarze Röcke und rote Blusen spiegelt sich in der Gesamtfarbgebung wieder. Weitere Metaphern sind wegen der Wassernähe durchaus ebenso naheliegend- Segel, Schiff, Wasserpflanzen, Möwenflügel. Diese Inspirationen finden sich vielfach in den Modellen ganz unterschiedlich wieder- als Energie-Wind-Anlage, Freizeitpark am Wasser oder Eingangsgebäude zu einem Unterwasserhotel.
3. Ort AUF dem Wasser: Restaurantschiff „John Barnett“
Direkt am Kai vor dem Hans- Otto- Theater liegt das Restaurantschiff „John Barnett“. Es wurde 1889 als Frachtschiff gebaut und 2006 zum Restaurantschiff umgebaut, benannt nach einem Schiffsbauer des 19. Jahrhunderts. Der Schiffseigentümer und Restaurantbetreiber Clemens Lambrecht hat uns auf dem Deck bewirtet und dabei mit viel Hintergrundinformationen zum Schiffsbau, der Geschichte, und seiner Idee, daraus ein Restaurant und kulturellen Veranstaltungsort zu machen, versorgt. In der Projektwoche haben wir weitere Umnutzungideen für Schiffskörper zusammengetragen, z.B. das „Badeschiff“ in Berlin Treptow. Überhaupt haben wir uns über schwimmende Bauten, d.h. Floating Homes, Floße, Wohnschiffe und Hausboote (z.B. in Amsterdam) informiert. Auch diese Anregungen wurden in den Projekten umgesetzt – z.B. einem Hotelschiff und der Villa „Floß“.
4. Ort AM und AUF dem Wasser: Matrosenstation
Weitgehend unbekannt bei allen Teilnehmern war unser 4. Ort der Fahrradrundfahrt: die Matrosenstation am Jungfernsee. Unser Experte Jörg Limberg, Mitarbeiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, erklärte uns die Hintergründe: gebaut 1892-1896 als Ausgangs- und Versorgungstation für „Lustfahrten“ mit Empfangspavillon („Ventehalle“), Bootshaus, Matrosenkaserne und Schiffsführerhaus. Vorbild war ein Restaurant des Stadtbaumeisters Holm Hansen Munthe in Kristiania (heute Oslo) im norwegischen Stil. Gegenwärtig wird die Matrosenstation rekonstruiert bzw. saniert. Insbesondere die Details und alten Fotos zur Empfangshalle waren für die Schüle sehr anregend, wie man deutlich z.B. am Projekt „Norwegisches Restaurant“ sehen kann. Zum Projekt gehört auch eine Speisekarte, in der es Lachs in allen Varianten gibt (der UNTER dem Restaurant in einem Becken gehalten wird).
Öffentliche Präsentation mit Stadtentdeckergespräch
Für die Präsentation der 9 Projekte haben die Kinder mit unterschiedlichen Methoden eine über die reine Modellerläuterung hinausgehende Atmosphäre zum Projekt vermittelt- mit kurzen Sketchen, dialogischen Szenen, fiktiven Pressemeldungen oder selbst entworfenen Werbeartikeln. So wurde z.B. die „Villa am See“ mit ihrem Energie- Windsegel von einem coolen Immobilienmakler als TOP-Adresse mit TOP- Energiegewinnung vermarktet, das „Norwegische Restaurant“ pries seine exquisite Lachs- Speisekarte an, die aufregende Übernachtung im „Unterwasserhotel“ wurde von einer skeptischen Großmutter mit begeisterter Enkelin dargestellt, Bilder von Einrichtungsdetails der „Villa Floß“ wurden von einer kauffreudigen Interessentin kommentiert, und für den „Freizeitpark am Wasser“ Werbeflyer im Publikum verteilt. Im abschließenden Stadtentdeckergespräch kamen alle Akteure – Schule (Schüler, Lehrer, Schulleitung), Architektenkammer (Projektbegleitung, Projektleitung), Experten und Stadtverwaltung noch einmal in einem reflektierenden Gesprächskreis zusammen.
Martina Nadansky, projektbegleitende Architektin
Beitrag in: Deutsches Architektenblatt 06/2016