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Architektur und Schule

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Brandenburgische Architektenkammer

Die Stadtentdecker unterwegs in Nauen

Im April dieses Jahres erkundeten 22 Schüler der 9. Klasse der Dr. Georg Graf von Arco-Oberschule auf einer selbst festgelegten Route ihre Stadt. Ungefähr die Hälfte der Klasse wohnt außerhalb von Nauen, in Orten, die jedoch zum Einzugsgebiet Nauens zählen. Nach einer Stadtwanderung von Ost nach West und zurück hatten sich die Schülerinnen und Schüler mit bekannten und unbekannten Orten vertraut gemacht. Bereichert wurde die Wahrnehmung der eigenen Stadt durch das Angebot auf den Wegstrecken zwischen den Orten in die Rolle unterschiedlicher Stadtbewohner zu schlüpfen. So konnte z. B. mit verbundenen Augen der Einblick in die Befindlichkeit eines Blinden gewonnen werden.

Die Stadtentdecker unterwegs in Nauen

Im April dieses Jahres erkundeten 22 Schüler der 9. Klasse der Dr. Georg Graf von Arco-Oberschule auf einer selbst festgelegten Route ihre Stadt. Ungefähr die Hälfte der Klasse wohnt außerhalb von Nauen, in Orten, die jedoch zum Einzugsgebiet Nauens zählen. Nach einer Stadtwanderung von Ost nach West und zurück hatten sich die Schülerinnen und Schüler mit bekannten und unbekannten Orten vertraut gemacht. Bereichert wurde die Wahrnehmung der eigenen Stadt durch das Angebot auf den Wegstrecken zwischen den Orten in die Rolle unterschiedlicher Stadtbewohner zu schlüpfen. So konnte z. B. mit verbundenen Augen der Einblick in die Befindlichkeit eines Blinden gewonnen werden.

Für die darauf folgende Auswertung wurde die Stadtwanderung im Maßstab 1:200 im Klassenraum mit einem langen Faden nach Norden ausgerichtet und nachgelegt. Als farbige Meilensteine positionierten die Schüler die besuchten Orte.

Schnell bildeten sich die 5 Ortsteams. Die Erkundung der eigenen Stadt wurde zum roten Faden, der sich durch die Projektarbeit der kommenden 3 Monate zog. Alle Arbeitsteams fanden in der gemeinsamen Arbeit ihren individuellen und besonderen Zugang zu „ihrem“ Ort.

Der Stadtpark
Die Arbeitsgruppe war sich schnell darüber einig, dass eine formale Auflistung der „guten und schlechten Seiten“ des Parks das Gewünschte nicht zum Ausdruck bringen würde. Während einer zweiten Ortsbegehung „hörten“ sie auf den Ort selbst, gaben ihm eine Stimme und ließen ihn in Form eines Comics bei der Präsentation zu Wort kommen.
Die fehlenden Mülltonnen wurden auf diese Weise zur Klage eines beschmutzten Ortes, der seiner eigentlichen Aufgabe, zur Erholung der Nauener beizutragen, nicht gerecht werden konnte.

Das „alte Haus“ und das Schülercafé
Am Stadtrand Nauens befindet sich die alte Tierabdeckerei. Geheimnisvoll, verlassen, verboten, fremd, unheimlich und abenteuerlich sind Worte, die beschreiben, warum die Schülerinnen und Schüler von diesem Ort begeistert und die Erwachsenen voller Bedenken waren. Die Mädchengruppe, die diesen Ort für sich auswählte, kam nach zwei anstrengenden Projekttagen voller Zweifel und Unzufriedenheit zu dem Ergebnis, diesem Ort, an dem längst vergessene Geschichten im Verborgenen weiter zu wirken scheinen, ohne gestalterische Eingriffe sein Eigenleben zu lassen.
Stattdessen planten sie ein Schülercafé, setzten sich mit seiner Gestaltung und Organisation auseinander und entwickelten ein Konzept, das eine Beteiligung der ganzen Schule ermöglicht.

Der Skater- und BMX Park
Der Skater- und BMX Park ist das Ergebnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen der Stadt Nauen und engagierten Jugendlichen. Erst 2015 eröffnet, fand bereits im Juni 2016 der erste regionale BMX-Wettbewerb statt. Die 4 Jungen, selbst BMX-Fahrer, beschäftigten sich mit konkreten Verbesserungsvorschlägen. Sie bauten das Modell einer Tribüne, die den Platz auch für die Zuschauer attraktiv werden lässt und setzten u.a. einen Stromanschluss für den DJ auf ihre Wunschliste.

Das Stadtbad
Noch vor der Eröffnung der Badesaison erhielt die Arbeitsgruppe Zutritt zum Freibad. Die Schüler erfuhren von den umfassenden Umbau- und Sanierungsarbeiten der Anlage in diesem Jahr. Nach längeren Überlegungen, ob und was den Plänen der Stadt noch hinzuzufügen wäre, wurde die Idee von schattenspendenden Sonnensegeln über dem Nichtschwimmerbecken ausformuliert. Ein maßstabsgerechtes Modell entstand auf der Grundlage des von der Stadt zur Verfügung gestellten Lageplans.

Der Martin-Luther-Platz und der Brunnen der Mitte
In der sanierten Altstadt Nauens bilden der Martin-Luther Platz und die St. Jacobi Kirche die Mitte. Vom ersten Moment stand für die Arbeitsgruppe unzweifelhaft fest, dass dem Zentrum Nauens ein Brunnen fehlt. Er wurde entworfen und ein Tonmodell gebaut. Die vier Schüler filmten eine Reportage zu ihrem Vorhaben, inklusive einem Interview mit dem Pastor der St. Jacobi Kirche, die am Abend der Präsentation das Publikum begeisterte.

Gekonnt und professionell führten 2 Schülerinnen durch die vielseitige Projektpräsentation im Nauener Rathaussaal. Sie gestalteten die Einladungskarte mit der Skyline Nauens und dem von der Klasse gefundenen Veranstaltungstitel:
Nauen – Hafen der Möglichkeiten, Ort mit versteckten Talenten.

Mit ihrer Erklärung, warum Nauen den Karpfen in seinem Wappen trägt, sicherten sie sich bereits zu Beginn der Präsentation die Aufmerksamkeit des Publikums: Im Stadtgrundriss Nauens lässt sich der Karpfen überraschend gut abbilden.

Nach einer Pause, in der die Schülerinnen und Schüler ihr Publikum mit selbst zubereiteten Snacks verwöhnten, fanden sich die Projektbeteiligten zum Stadtentdecker-Gespräch zusammen. Die Stadtwanderung mit dem geheimnisvollen und unbekannten „alten Haus“ war allen in besonderer Erinnerung geblieben. Auch äußerten die Schüler, dass sich nicht nur ihre Wahrnehmung in Bezug auf die Stadt Nauen verbessert hätte, sondern auch maßgeblich die Zusammenarbeit und das Klassenklima.
Als Resümee nehme ich, als projektbegleitende Architektin, aus diesem Projekt die Erfahrung mit, dass der Mut zu einem ergebnisoffenen partizipativen Prozess und die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligter den Schülerinnen und Schülern ermöglichte, ihre Stadt intensiv und aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. Durch die selbstbestimmte Arbeit haben sie Orte mit versteckten Talenten kennen und schätzen gelernt.

Dorothee Meyer-Gerlt, projektbegleitende Architektin

Beitrag in: Deutsches Architektenblatt 07/2016