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Architektur und Schule

Brandenburger Architekt(inn)en bieten Unterstützung an

Brandenburgische Architektenkammer

Orte im Focus der Schüler der Theodor Fontane Schule Letschin

Zwischen 17 und 20 Schüler der Klasse 8a, ein Lehrer, zwei Architekten – eine Selbsthilfegruppe.
Die Schüler organisierten den Stadtspaziergang vollkommen selbständig. Sie stellten die aus ihrer Sicht wichtigen Orte vor und folgten einer festgelegten Route: ein müder Verkehrskreisel, mehrere Kriegsdenkmale, Sitzbänke neben einer Eisdiele, eine Wiese an einem Tümpel und in jeder Hinsicht am Ende: zwei vergessene Plattenbauten. Die eigentlichen Touristenattraktionen der Gemeinde werden im Vorbeigehen erwähnt – die beiden Architekten sind verblüfft.

Die wahrscheinlich herausragendste Erkenntnis des gesamten Projektes, die Wahrnehmung Letschins durch diese jungen Erwachsenen, ihre Lieblingsorte und die Problemzonen sind schon am Beginn klar umrissen.  Auf eine Weise unerwartet, kritisch, aufmerksam und hingebungsvoll präsentieren die Schüler ihren Blick, abweichend von der Gewissheit, von den gewohnten Bildern und von der Oberflächlichkeit des gefangenen Alltags.

4 Arbeitsgruppen beginnen Konzepte zu erarbeiten: eine Gruppe zum Umbau des Kreisels, 2 Gruppen widmen sich der Umstrukturierung des Tümpels mit Wiese und Bank (Fontanepark) und eine Gruppe versucht sich an den Plattenbauten (Manhattan genannt). Alle Jugendliche wollen Modelle bauen.
Einer anfänglichen Begeisterung folgt eine Phase der Ernüchterung. Die jungen Erwachsenen agieren und reagieren differenziert, vereinzelt ohne Interesse. Für die Architekten beginnt eine Gratwanderung zwischen Zurückhaltung und Einflussnahme. Einige Schüler fühlen sich bedrängt, andere bleiben offen und interessiert. Bei vielen lässt die Konzentration nach.
Mitunter gleicht es dem Mittelabschnitt eines Bergaufstiegs. Die Schulleitung wird um Mithilfe gebeten, der Bürgermeister kommt zu Besuch.

Mit dem Kraftakt eines zusätzlichen Projekttages entstehen letztendlich vier sorgfältig zusammengefügte Modelle unterschiedlicher Art, die „die Mittelstrecke“ hinter sich gelassen haben und deren Detailgenauigkeit im Kontext mit den selbstverfassten Erläuterungen erstaunlich überzeugend wirkt.

 


 
Man hatte uns gewarnt. Die große Überraschung kommt am Schluss, am Tag der Abschlusspräsentation, dem Gipfel. Die Schüler ändern die Reihenfolge der Arbeitsgruppen, schreiben eine eigene Moderation und teilen Ihre Vorträge innerhalb der Gruppen auf. Der Auftritt wird zum Erfolg, der Bürgermeister macht aus seiner Begeisterung keinen Hehl. Die Anwesenden spüren die Anerkennung. Später wird Frau Kotlan (Referentin ÖA der Brandenburgische Architektenkammer) schreiben: „Die öffentliche Präsentation der Jugendlichen im Projekt „Die Stadtentdecker“ in Letschin hat mir wieder mal sehr viel Freude bereitet. Es ist immer wieder verblüffend, was nach anfänglichen Schwierigkeiten am Ende für Projektergebnisse erzielt werden... .“
Möglicherweise haben die Schüler in Letschin tatsächlich etwas in Bewegung gesetzt. Nachhaltiger noch ist die Entwicklung dieser „Erstbesteigung“ für sie selbst, zumindest für einige, denn es bedarf eines gewissen Erfolgsgefühls um eine anhaltenden Freude daran zu entfalten, im Leben Stellung zu beziehen, als gedankliche Folge einer aufmerksamen Auseinandersetzung mit der uns umgebenden Baukultur. Auf einem Berg angekommen zu sein, ist halt erhebend.

Olaf Jenner, projektbegleitender Architekt
Bernhard Schuster, projektbegleitender Architekt
Beitrag in: Deutsches Architektenblatt 01/2018