Kontakt  |   Impressum  |  
Architektur und Schule

Brandenburger Architekt(inn)en bieten Unterstützung an

Brandenburgische Architektenkammer
Martina Nadansky

Architekturbionik – Lernen von der Natur für die Architektur

Einführung in das Thema Raum + Architektur
Raum umgibt uns alle, wir leben in ihm und mit ihm. Wir werden – bewusst oder unbewusst – von ihm beeinflusst, wir  fühlen uns frei oder beengt, geschützt oder ausgeliefert. Raumbildung durch Architektur ist ein menschliches Grundbedürfnis- mit der evolutionären Entwicklung der Menschheit wurden auch Unterkünfte und Behausungen mitentwickelt. Je nach Standort, Materialvorkommen, den organisatorischen Fähigkeiten und speziellen Bedürfnissen wurden so zunächst natürlich vorgefundene Räume – Höhlen, Mulden, Felsvorsprünge, eng stehende Bäume genutzt, und auch temporäre Blätterdächer oder einfache Aststrukturen wurden zu den ersten schützenden Behausungen der Menschen, ihrer Verwandten und Vorfahren.

Tierbauten- Menschenbauten
BuchcoverDer Zusammenhang zu Tierbauten ist ganz offensichtlich. Einige Affenarten bauen auch heute noch täglich neue Übernachtungsnester aus Zweigen und Blättern – die Vielfalt der baulichen Erfindungen ist unendlich und wird doch von den immer gleichen Faktoren bestimmt:

  • Schutz vor Witterung
  • Schutz vor Fressfeinden und Diebstahl
  • Schutz und Aufzucht des Nachwuchses
  • Lagerhaltung von Nahrungsvorrat
  • Fangen von Nahrung
  • Materialvorkommen
  • körperliche Fähigkeiten
  • Organisation des Lebensalltags
  • besondere Bedürfnisse (Balz, Gemeinschaftsleben, Winterschlaf usw.)

Aus diesen Zusammenhängen wurde das Architekturprojekt „Wie bauen Tiere?- Wie bauen Menschen?“ entwickelt. Das gleichnamige Buch von Autorin Martina Nadansky wurde 2007 im Verlag an der Ruhr als experimentelles, unterrichtsbegleitendes, und für den Lehrer kopiervorlagefähiges Buch veröffentlicht. Die Vergleichbarkeit von Tier- und Menschenbauten kann als ein Teilaspekt der Architekturbionik gesehen werden 

Was ist Architekturbionik?
Werkstatt ArchitekturbionikDas aktuelle Forschungsgebiet Bionik (Biologie und Technik) beschäftigt sich mit der Natur als Ideengeberin für die Technik und findet in allen Gebieten überraschende Übereinstimmungen und Anregungen für die Weiterentwicklung.
Die Architekturbionik als ein Teilgebiet der Bionik untersucht alle biologischen Aspekte in der Tier- und Pflanzenwelt, die in Architektur, Raum, Konstruktion, Statik, Material und Gestaltung, aber auch in städtebaulichen, soziologischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen ihre Entsprechung und Weiterentwicklung finden.

Biologie als kindgerechter Einstieg in die Architektur
Projekte zur Architekturbionik bieten den Zugang zur Architektur über die Natur als Phänomen und gleichzeitig über die Biologie als Fachdisziplin, die dieses Phänomen mit entsprechenden Methoden wissenschaftlich untersucht. Das grundsätzlich hohe Interesse und die frühe Kompetenz der Kinder an Pflanzen, Tieren und Tierbauten werden aufgenommen und das Bewusstsein über die Vergleichbarkeit zur Architektur erweitert. Tier- und Pflanzenuntersuchungen lassen sich in allen Altersgruppen, an allen schulischen und außerschulischen Lernorten und mit vielen individuellen Schwerpunkten durchführen. Biologie und Architektur werden im Projekt nicht nur thematisch, sondern auch methodisch zusammengeführt, was den Ablauf eines Projektes zur Architekturbionik sehr abwechslungsreich macht.

Projektbeschreibung

Projekt: Architekturwerkstatt  zur Architekturbionik ‚Haifischzahn und Eiffelturm’
Organisation: Öffentliche Unterrichtsstunden zum Thema ‚Architektur’ im Rahmen des 5. Kongresses ‚Kinder zum Olymp! – Selbstverständlich! Kulturelle Bildung in der Schule’ am 23. und 24. Juni in Dessau
Projektbeteiligte
Projektleitung: Dipl.- Ing. Martina Nadansky
Projektgruppe: 15 Kinder einer 4. Klasse der Grundschule Dessau- Rodleben
Kontakt: Bundesarchitektenkammer, Ute Kluge
Organisation: Kongressteam ‚Kinder zum Olymp!’, Dr. Margarete Schweizer, Kirstin Ackermann
Datum: durchgeführt am 23. Juni 2011

Architekturwerkstatt ‚Haifischzahn und Eiffelturm’

Werkstatt ArchitekturbionikDie Vergleichbarkeit von so unterschiedlichen Erscheinungen wie ein Haifischzahn und der Eiffelturm (beide sind mit einer breiter werdenden Basis im Grund verankert, beide laufen nach oben spitz zu, beide sind in verschiedene Segmente unterteilt)  wurde zum Anlass genommen, weitere von der Biologie in die Architektur übertragbare Phänomene zu überdenken und in 2 Experimenten nachzuempfinden. Die Experimente mussten dabei innerhalb einer Schulstunde von 45 Minuten schnell vermittelbar und auch durchführbar sein, und sie sollten ebenso möglichst schnell und einfach zu ablesbaren Ergebnissen führen. Zur Vorbereitung wurden die Kinder in einer Kennenlernstunde 4 Wochen vorher aufgefordert, selbstgesammelte Tierbauten wie Schneckenhäuser, Muscheln, Spinnennetze, Wespennester, Waben, Kokons u.a. in den Öffentlichen Unterricht mitzubringen. Diese Aufgabenstellung funktioniert entsprechend nur im Frühjahr und Sommer.

Experiment 1 Muscheln und Schneckenhäuser

SchatzkisteAus den formal unterschiedlichen, sehr komplex aufgebauten Muscheln und Schneckenhäusern (=Kalkbehausungen) haben wir verschiedene Gemeinsamkeiten abgeleitet:

  • gekrümmte (‚organische’) Formen umhüllen das weiche Innenleben und schützen es
  • zur Stabilisierung des Materials haben sich Auffaltungen und Knicke gebildet 
  • die Gehäuse sind nach einer Seite offen
  • sie entstehen durch Wachstum und haben so etwas mit ihrem Bewohnern zu tun
  • sie sehen alle ‚schön’ aus, d.h. sie berühren unser ästhetisches Empfinden

Alle Aspekte spielen auch in der Architektur eine große Rolle. Wir schützen mit unseren Häusern das Innere, entwickeln geeignetes Material und freuen uns auch an der Ästhetik der Häuser, die außerdem etwas mit uns zu tun haben.

Wir kommt man nun zu organischen Formen in einem einfachen Experiment? Dazu nehmen wir Papier und dünne Pappe (ca. A4- Format) in verschiedenen Größen, Stärken und Farben und schneiden es mit dem Cutter ca. 20-20 mal parallel ein, dabei den Rand mit ca. 1,0 cm stehen lassen. Nun kann gedreht, gefaltet, gefügt und geklebt werden. Es entstehen sehr schnell organische und ästhetisch sehr ansprechende räumliche Gebilde. Die Frage, ob wir hier Architektur gebaut haben, wird von den Kindern mit JA beantwortet- schließlich haben wir organische Hüllen hergestellt. Und für wen? Die Assoziationen für die zart wirkenden aber dennoch formstabilen Gebilde reichen von Eisbärenhöhle über Spinnenversteck bis zum Mäusenest.

Experiment 2 Spinnennetze

Spinnennetze lassen sich schwer konservieren und einfangen. Schließlich ist ein Spinnennetz ja möglichst unsichtbar, damit es von den gefangenen Insekten nicht erkannt wird. Leicht zu bauen und schnell wieder herzustellen ist es außerdem- es ist also perfekt an seine Bestimmung angepasst. Trotz seiner Unsichtbarkeit ist es aber bei Kindern sehr bekannt, auch im Detail, etwa die Sache mit der klebrigen Fangspirale, die der Spinne selbst nicht zum Verhängnis wird, weil sie auf den unklebrigen Speichen des Netzes läuft. Und dann die Konstruktion. Um die Begriffe Zug- und Druckkonstruktion zu verdeutlichen, zeigen zwei Kinder an einer einfachen Paketschnur, was passiert, wenn man an ihr zieht (Zugkraft) und wenn man sie drückt (Druckkraft)- hier müsste eine Art Stange her . Diese beiden Kräfte wirken auch beim Zeltbau zusammen, der somit sehr viel mit dem Spinnennetzprinzip gemein hat- auch hier kann man auf die Erfahrung der Kinder bauen, gezeltet hat irgendwie jeder schon einmal. In der Architektur sind es die Seilnetzkonstruktionen und Zugkonstruktionen (= große Zeltkonstruktionen), die z.B. beim Olympiastadion in München zu einer spektakulären Gesamtform zusammengefunden haben- auch dieses Beispiel ist allen Kindern bekannt (obwohl übrigens nach Nachfrage noch niemand persönlich dort war).

Aus Schaschlikstäben, Plastiktrinkhalmen (=Zeltstange), Feinstrümpfen (=Zeltplane) und Pinnnadeln (=Heringe) haben wir kleine Zeltkonstruktionen im Modell gebaut. Ähnlich wie bei den Schneckenhäusern wird hier sofort metaphorisch gedacht- Zirkuszelt, Waldhütte und Tipi kommen als Begriffe und Fussballstadion sowieso.

Wertung

Die beiden durchgeführten Experimente wurden im Hinblick auf unkomplizierte Vorbereitung, schnelle Erfassung und Durchführung sowie auf maximale Erkenntnis ausgewählt und sind in ihrer Kürze für den Schulunterricht geeignet. Die biologischen Kenntnisse der Kinder konnten dabei einbezogen und fast unmerklich in Richtung Architektur gelenkt werden. Dieses Projekt bietet sich somit besonders für den Fachunterricht Biologie an, aber natürlich ebenso z.B. als ganze Projektwoche zum Thema Tier- und Menschenbauten.